IT TAKES 2 TO TALK
Ich habe Dich vorgewarnt, 2024 steht bei mir nicht nur im Zeichen eines neuen Newsletter-Formats (ich hoffe es gefällt dir), sondern vor allem im Zeichen von Deep Talk. So let’s skip to the good part: IVY DEEP TALK. Denn so heißt die von mir ins Leben gerufene neue Event-Reihe, die ich regelmäßig online aber auch live etablieren möchte. Ende Februar fand nun der Kick-off der Serie online und unter dem Motto „It takes two to talk“ statt. Im Workshop ging es um das Thema Zuhören, eins der Themen, dass mich sehr fasziniert, bei dem ich mich aber auch etwas ertappt fühle. Ich bin mir bewusst, dass Zuhören bei mir persönlich ausbaufähig ist und wohl nur wenige Menschen, die mich näher kennen, Zuhören als eine meiner stärksten Skills benennen würde. Dabei fängt Deep Talk mit dem Zuhören an. Wie ich von Zuhör-Experten Stefan Brodbeck gelernt habe, ist tiefes Zuhören eine wirkungsvolle Methode, um u.a. hinderliche Einstellungen zu lösen, authentischer zu werden, die eigene Beziehungsfähigkeit zu stärken und Problemthemen zu lösen. Stefan Brodbeck ist Zuhör-Coach und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit tiefem, bewertungsfreiem Zuhören. Bei der Premiere des IVY DEEP TALK hat er uns im Rahmen eines Online Workshops einen Einblick in die Methodik gegeben. Im Interview stellt Stefan die Methode noch einmal vor und nimmt Dich mit auf spannende, aber ungewohnte Zuhör-Reise.
xx Yvonne
Stefan Brodbeck: “Tiefes Zuhören ist auch eine aktive Form der Friedensarbeit.”
Der Münchner Stefan Brodbeck beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Methodik tiefen Zuhörens und wendet sie heute als Zuhör-Coach und Zuhörer an. Das tiefe Zuhören, erlernt in der Ausbildung „Die Kunst des Zuhörens“, hat mein Leben nachhaltig positiv verändert”, sagt Stefan über die Methode, die er 2003 kennengelernt hat. 2021 hat er seine Laufbahn als erfolgreicher Designer, der mit 65 nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurde, hinter sich gelassen um sich voll und ganz dem Zuhören zu widmen; als Zuhörer und Zuhörer-Coach. Am Rande unseres IVY DEEP TALK Online Workshops habe ich mit Stefan über Kommunikation, gute Zuhörer*innen, Bewertungen und Safe Spaces gesprochen. Nimm’ Dir einige Minuten Zeit, lass’ Dich inspirieren und lerne diese ungewöhnliche Form des Zuhörens kennen, die wirklich gar nichts mit der Alltasgskommunikation zu tun hat. Stefan teilt außerdem seine Insights, wie speziell wir Freelancer*innen von der Methode profitieren können. Gern’ geschehen ;-).
Meet Stefan Brodbeck:
INTERVIEW STEFAN BRODBECK
IC: Stefan, du beschreibst dich als Zuhörer und Zuhör-Coach. Kannst du diese Abgrenzung genauer erklären?
Stefan: Am liebsten würde ich mich nur „Zuhörer“ nennen. Aber ich befürchte, dass viele Menschen dann nicht verstehen, was damit gemeint ist. Daher verwende ich noch den Zusatz Coach oder Begleiter. Das tiefe Zuhören ist aus meiner Sicht eine effiziente und vor allem unmanipulative Methodik und Haltung, Menschen bei der Bewältigung ihrer unterschiedlichsten Lebensthemen zu unterstützen, egal ob im beruflichen oder privaten Kontext. Zu mir kommen ganz unterschiedliche Personen, jeder ist anders. Ich unterstütze sie und gehe dafür, dass sie durch das tiefe Zuhören über sich und ihre Themen Klarheit erlangen. Gleichzeitig unterstützte ich sie durch Nachfragen, ihre eigenen Handlungsimpulse zu entwickeln. Effizient, weil das oft schon in einer 2-stündigen Zuhör-Session geschieht. Denn nur durch das selbstbestimmte Handeln entsteht eine Veränderung von innen heraus. Ich begleite meine Klienten dabei und halte sie bei ihrem Thema. Eine bewertungsfreie Situation zu finden, bei der alles ausgedrückt werden darf, ist aus meiner eigenen Erfahrung ein echtes Geschenk.
IC: Zuhören scheint etwas ganz Alltägliches. Wie hast du bemerkt, dass Zuhören ein absoluter Gamechanger in der Kommunikation sein kann?
Stefan: Ich selbst habe diese wunderbare Wirkung des tiefen Zuhörens bei einem Retreat 2003 kennengelernt. Das bewusste und bewertungsfreie Zuhören ist genau das Gegenteil zu dem Zuhören im Alltag. Die meisten Menschen machen sich darüber keine Gedanken, weil Zuhören scheinbar so etwas „Normales“, Alltägliches ist. Dabei ist es der Schlüssel für die Beziehung zwischen uns Menschen. Wir können das Tor der Beziehung durch Zuhören aufsperren und fließen lassen oder mit ein paar Worten alles verschließen, ja tatsächlich zerstören. Sprechen und Zuhören gehört daher zusammen wie Tag und Nacht. In der Jahresgruppe „Die Kunst des tiefen Zuhörens“, die ich anbiete, findet daher immer beides statt. Tiefes Zuhören ist meditativ und gleichzeitig hoch präsent. Und es ist ein schrittweiser Prozess es zu erlernen. Für mich ist das tiefe Zuhören ein Gamechanger in der Art und Weise, wie wir in Beziehung mit anderen und uns selbst gehen.
IC: Inwiefern hat die Kunst des Zuhörens dein Leben nachhaltig positiv beeinflusst?
Stefan: Weil ich durch das Aussprechen meiner Themen, die ich bei meinen Ausbildungen und bis heute durchlaufe, klarer, zufriedener, mehr zu mir gekommen bin. Beginnend mit Lebensthemen bishin zu der tiefsten Frage "Wer bin ich". Das "sich mitteilen" in einem bewertungsfreien Raum ist der Schlüssel. Ich selbst konnte so viele Themen aussprechen und klären, meine Beziehungen verbessern, mir letztendlich viel näher kommen. Das hat mich mehr in Beziehung gebracht, zum Beispiel mit meiner Familie oder Freunden. Aber auch im beruflichen Kontext, mit meinem Team und meinen Kunden. Diese Klarheit und Zufriedenheit strahlt, sie wirkt sich direkt und positiv auf alles aus.
IC: Die Kunst des Zuhörens klingt für mich auf den ersten Blick super komplex. Inwiefern kann man es überhaupt auf Alltagssituationen übertragen?
Stefan: Als komplex würde ich die Methodik nicht bezeichnen. Im Gegenteil. Sie ist einfach. Was du dazu brauchst, ist Zeit, Aufmerksamkeit und Übung im Zuhören. Kommunikation in Dyadenform ist eine strukturierte Art der Kommunikation. Diese Art der Kommunikation findet im Alltag nicht statt, es sei denn, du lernst sie kennen und schätzen. Somit hat das Erlernen der Zuhör-Kompetenz natürlich seine Wirkung im Alltag. Du lernst auch, dich besser abzugrenzen, wenn jemand auf dich einredet, ohne dich zuvor gefragt zu haben, ob du aufnahmebereit bist. Dieser bewusste Umgang mit dem Sprechen und Zuhören trägt viel zu einer besseren Kommunikation bei. Der wesentlichere Aspekt liegt aber tiefer. Wenn dir viel und bewertungsfrei zugehört wurde, wird dein Leben ruhiger und entspannter. So kannst du mit dir und anderen besser umgehen.
IC: Was macht für dich einen gute Zuhörer/ eine gute Zuhörerin aus?
Stefan: Eine Person, die das tiefe Zuhören praktiziert, ist bewertungsfrei, klar und entspannt. Meditativ und super präsent. Sie konzentriert sich auf den Kern der sprechenden Person, unterbricht nicht, sondern lässt der sprechenden Person den Raum und Ausdruck, der da ist. Sie lässt den anderen so sein, wie er/sie ist. Fragt nach, wenn sie etwas nicht versteht, mit echtem Interesse. Beim tiefen Zuhören geht es in erster Linie um Verstehen - ohne Bewertungen. Die zuhörende Person schwingt mit, läßt sich berühren. So würde ich die Zuhör-Haltung eines guten Zuhör-Coach*in beschreiben. Wenn jemand eine Meinung oder Beratung möchte, kann das natürlich auch geschehen. Aber erst geht es darum, die andere Person wirklich zu verstehen.
IC: Wenn ich es richtig verstanden habe, setzt die Methode bei eigenen Einstellungen und Glaubenssätzen an. Kannst du die Methode kurz beschreiben?
Stefan: Im Zuhör-Coaching geht es oft um innere Einstellungen und Glaubenssätze, die meistens die Ursache für die eigene Unzufriedenheit sind und daraus den Wunsch nach einer Veränderung erwächst. Ein Beispiel ist der Glaubenssatz: „Ich bin nicht gut genug“. Viele Menschen sind sich dieser Einstellung gar nicht bewusst, stressen sich aber permanent im Leben. In den Zuhör-Sessions arbeite ich u.a, mit Einstellungskarten. Bildlich gesprochen, legen meine Klienten ihre erkannten Einstellungen mittels dieser Karten auf den Tisch und haben somit die Möglichkeit, einen Blick darauf zu werfen. So können sie sich davon distanzieren. Im nächsten Schritt werden die gegenteiligen Einstellungen angeschaut und schrittweise integriert. In diesem Beispiel: „Ich bin gut“. Dann werden Handlungsimpulse gesucht, um selbst-ermächtigt diese positive Einstellung einnehmen zu können. Am besten ist es natürlich, wenn wir realisieren, dass alles nur Einstellungen sind.
IC: Unsere Ivys sind oft Freelancer*innen, die viele Projekte gleichzeitig stemmen. Was glaubst du, welche Benefits können Zuhör-Sitzungen speziell Selbständigen im Kreativbereich bringen?
Stefan: Da ich als selbstständiger Designer über 30 Jahre die unterschiedlichsten Erfahrungen machen durfte, und ich mich parallel mit dem tiefen Zuhören beschäftige, kann ich nur bestätigen, dass Zuhör-Sitzungen sehr wirkungsvoll sind, Einstellungen zu lösen, die im Beruf und im Zusammenleben hinderlich sind, ja wirklich blockieren können. Diese Arbeit an dir bringt dich mehr in deine eigenste Kraft. Du wirst authentischer und freier im Ausdruck. Deine Beziehungsfähigkeit entwickelt sich, wird gestärkt. So können viele Problemthemen effizient und selbst ermächtigt gelöst werden. Zuhör-Sitzungen sind zum Beispiel sehr hilfreich bei der Vorbereitung auf schwierige Themen, anstehende Entscheidungen oder Gespräche. Allgemein gesprochen, wirst du klarer und authentischer. Du ruhst mehr in dir, und wirst unabhängiger von der Meinung und Bewertung von anderen. Das tiefe Zuhören hat dazu beigetragen, dass ich mich heute viel authentischer in Beziehung setze. Letztendlich bin ich meinem Herzen gefolgt, als ich entschieden hatte, meinen Beruf als Designer zur Seite zu legen und mich ganz dem tiefen Zuhören zu widmen. Das hat ganz viel Energie freigesetzt. Für mich ist das tiefe Zuhören auch eine aktive Form der Friedensarbeit. Daher gebe ich unter anderem Workshops für Jugendliche und gebe mein Wissen in der Jahresgruppe weiter.
Danke für das interessante Gespräch und die Insights, Stefan!